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Alicia Hennig zu interkultureller Zusammenarbeit und Bedeutung des Daoismus

Klein Dr. Alicia Hennig Ak Zusammenarbeit


Dr. Alicia Hennig
International tätige Wissenschaftlerin; Fokus: Wirtschaftsethik (insbes. im chinesischen Kontext), Führung, Unternehmenskultur und -verantwortung, Innovationsdenken; Fachsprecherin des CNBW-Arbeitskreises "Deutsch-Chinesische Zusammenarbeit"


Warum engagieren Sie sich im CNBW – was macht das CNBW so besonders?

A. Hennig: "Ich engagiere mich beim CNBW aus zwei Gründen: zum einen, weil ich einige Vorstandsmitglieder persönlich kenne und persönlich angesprochen wurde zwecks Mitarbeit. Zum anderen, weil ich jetzt nach meiner Rückkehr aus China in Deutschland natürlich weiterhin sehr interessiert bin an Themen, die die Deutsch-Chinesische Zusammenarbeit betreffen. Nur weil ich jetzt zurück in Deutschland bin, kann ich meine 15 Jahre, die ich insgesamt schon nach China komme – davon fünf Jahre angestellt an chinesischen Universitäten – nicht einfach hinter mir lassen. Die Faszination für die chinesische Kultur, Philosophie und Geschichte des Landes bleibt. Zudem ist meine Forschung nach wie vor auch auf China gerichtet.

Was das CNBW für mich besonders macht, sind die diversen beruflichen Hintergründe, die hier zusammen kommen und die sich als Kapazitäten erfolgreich bündeln lassen. Darüber hinaus spielt für mich natürlich auch der bereits vorhandene persönliche Kontakt eine Rolle."


Sie moderieren den CNBW-Arbeitskreis Deutsch-Chinesische Zusammenarbeit. Was sind die größten Problemstellungen im Kontext Kultur und Führung – auf beiden Seiten?

A. Hennig: "Die größte Herausforderung in der Deutsch-Chinesischen Zusammenarbeit ist das gemeinsame Verständnis füreinander und das gegenseitige Verstehen – wie vermutlich in jeder anderen Länder-Konstellation auch. Nur dass die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und China anders gelagert und vielfältiger sein können als beispielsweise bei einer Deutsch-Italienischen Zusammenarbeit. Auch wenn wir dieselben Worte verwenden, müssen sich dahinter nicht dieselben Bedeutungen verbergen, denn diese sind jeweils kulturell, historisch und institutionell geprägt. Insofern ist es wichtig, dass wir zunächst eine 'gemeinsame Sprache' finden, um dann weitere Herausforderungen auf der Verhaltensebene adressieren zu können. Denn auch hier gibt es natürlich im Verhalten Unterschiede, die auf beiden Seiten besser verstanden werden müssen. Dieses Verstehen von und Verständnis für die jeweilige Andersartigkeit ist enorm wichtig. Es geht nicht darum, diese Andersartigkeit letzten Endes vollständig zu ‚überwinden‘. Andersartigkeit bewirkt Vielfalt und ist bereichernd, nur von Vielfalt können wir lernen – nicht von Gleichheit. Aber sie erfordert darum auch Akzeptanz. Wenn wir also von der kulturellen Vielfalt unserer Beziehungen lernen wollen, dann beginnt das mit der Anerkennung des Anderen und einer Annäherung durch gegenseitiges Verstehen und Verständnis.

Konkret auf die Arbeitswelt übertragen heißt das: Wir brauchen regelmäßigen Dialog und Reflektion über unsere jeweils kulturbedingt andere Praxis und Wahrnehmung, damit wir besser zusammenarbeiten können – für einen gemeinsamen Erfolg. Und dieser CNBW-Arbeitskreis hat sich genau das zum Ziel gesetzt."


Das Weibliche spielt in der chinesischen Philosophie und Weltanschauung des Daoismus eine besondere Rolle. Warum lohnt es sich, gerade diese Interpretation genauer zu betrachten, beispielsweise im Personalmanagement?

A. Hennig: "Zu der Philosophie des Daoismus arbeite ich nun seit rund sechs Jahren und sie fasziniert mich ungemein auf Grund ihrer Andersartigkeit. Die Rolle des Weiblichen im Daoismus ist sehr speziell. Das Weibliche wird quasi letzten Endes als stärker und beständiger gesehen als das Männliche, obwohl es oberflächlich betrachtet ja eher 'schwach' assoziiert wird. Damit stellt der Daoismus Geschlechter-Stereotype auf den Kopf und das schon im ca. fünften Jahrhundert vor Christi: Der historisch stets männliche Kaiser (bzw. der Herzog oder ähnliches vor dem Beginn des Kaiserreichs unter Qin Shi Huangdi) sollte weibliche Eigenschaften emulieren um erfolgreich zu herrschen. Allerdings war der Daoismus nur in wenigen Dynastien die vorherrschende und damit beeinflussende Philosophie und ansonsten oftmals zurückgedrängt in den privaten Bereich.

Was wir heute im 21. Jahrhundert davon lernen können, auch in einem Organisations- bzw. Führungskontext ist, dass sogenannte ‚weibliche Werte‘ aus ethischen (Stichwort: Geschlechtergerechtigkeit) wie auch strategischen (Stichwort: Erfolg durch Kooperation) Gründen in Unternehmen eine Rolle spielen sollten. Wir alle profitieren letzten Endes von mehr Kooperation (statt aggressivem Wettbewerb), Bescheidenheit (sich selbst einmal zurückzunehmen, weniger Ego), Freundlichkeit (auch Rücksicht und Nachsicht). Das mag sich zunächst nicht neu anhören und im Grunde wäre es auch nur dem gesunden Menschenverstand entsprechend so zu handeln, jedoch scheint vieles davon leider derzeit immer noch ein wenig in die Distanz gerückt zu sein. Der Daoismus betont insbesondere kooperatives Verhalten, das dann eben auf Grund diverse ‚weicher‘ Eigenschaften ermöglicht und als beständig angesehen wird. Im Gegensatz dazu wird das Starke, aber damit auch Aggressive, als kurzlebig und Ego-bezogen gesehen. Nur mit ‚weichen‘ Eigenschaften lässt sich letzten Endes Langlebigkeit erreichen, welches das Ziel Daoistischer Philosophie ist. Denn nur das, was sich im Einklang mit dao, der natürlichen Ordnung, befindet, kann dauerhaft sein und dazu muss es geschmeidig, sanft und flexibel sein wie das Weibliche – metaphorisch: wie Wasser."


Was müssen wir generell tun, damit der Aspekt der Ethik in der Wirtschaft mehr Aufmerksamkeit erfährt?

A. Hennig: "Nun, dazu müsste generell gesagt sehr viel getan werden. Aber zunächst einmal müsste man in der Wirtschaft das Wort 'Ethik' einfach einmal annehmen können. In meinen Augen stellt dieser Begriff als solches bereits eine enorme Hürde da. Natürlich können wir alternativ auch von 'Kooperation', 'gerechteren Strukturen', 'gutem und gesunden Arbeitsklima', 'faire Bezahlung' etc. sprechen, aber ein Wort fasst all das eben zusammen: Ethik – der gute und faire Umgang der Menschen miteinander, der auf gelebten Werten basiert. Wir können das Wort Ethik durch viele andere Wörter ersetzen und es damit ‚attraktiver‘ machen, vermeintlich besser in die Diskussion miteinbringen und mehr Akzeptanz generieren. Letzten Endes aber, egal wie wir es nennen oder in wie viele Einzelbegriffe wir es aufspalten, ändert es nichts am ursprünglichen Problem: Wir brauchen mehr menschenfreundliche (ethische) Organisationen; Unternehmen, für die Menschen gerne und aus Überzeugung arbeiten, weil es ihnen dort gut geht.

Dieses Ziel, eine 'gute Organisation' zu werden, erfordert in meinen Augen sehr viel kritische Reflektion seitens der Unternehmensführung (aber auch seitens der Mitarbeiter, vor allem deren Partizipation) und natürlich auch die Motivation, tatsächlich menschenfreundlich zu werden. Und eine positive Unternehmenstransformation in diesem Sinne ist von allen zu unternehmen: Führungsebene und Mitarbeiter – alle müssen sich einbringen. Ohne Partizipation aller wird es keine 'Demokratisierung' von Unternehmensstrukturen geben, die längerfristig mehr Fairness und Menschenfreundlichkeit realisieren, was damit auch zu mehr kollektiver Leistung führen könnte. Das 21. Jahrhundert ist für mich das Jahrhundert der Kooperation und Menschlichkeit. Dafür müssen wir Aggression und Wettbewerb bewusst in den Hintergrund stellen und uns darauf besinnen, was uns auf menschlicher Ebene miteinander verbindet."


Und wie bringt man das "Verstehen" am Ende auch praktisch auf die Straße?

A. Hennig: "Das Verstehen von Ethik und auch Philosophie – beides ein wenig angestaubte Begriffe – lässt sich in meinen Augen erstaunlicherweise sehr gut über gezielte Seminare vermitteln. Beispielsweise habe ich in Kooperation mit der AHK Beijing ein auf chinesischer Philosophie basierendes interkulturelles Seminar gegeben, für die IHK Frankfurt habe ich darauf basierend einen ganzen Tagesworkshop zur interkulturellen Weiterbildung aufgebaut, und ich vermittle derzeit Daoistische Philosophie in Workshops für Führungskräfte beim in Frankfurt angesiedelten House of Leadership. Selbst für derlei angestaubt wirkende Begriffe gibt es derzeit einen guten Nährboden, wenn man sie interessant und mit aktuellem Bezug bzw. aktueller Relevanz vermitteln kann. Ich glaube, die Menschen derzeit sind regelrecht auf der Suche nach neuer Inspiration, nur wissen sie nicht so recht, wo sie anfangen sollen zu suchen, bei so viel Überfrachtung. Hier können gezielte Seminare ein hilfreicher Anfangspunkt sein." 

Mehr zum CNBW-Arbeitskreis: hier