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Hirns Köpfe: Von Konstanz nach China - Influencerin Melina Weber

Exklusiv: CNBW-Porträtreihe 
Hirns Köpfe


 Wolfgang Hirn Skizze


Seit 1986 reist der Journalist Wolfgang Hirn regelmäßig nach China. Rund 35 Jahre schrieb er für das manager magazin. Er ist Buchautor und Herausgeber der Newsletters CHINAHIRN. Für das CNBW beschreibt der gebürtige Tübinger spannende Persönlichkeiten der baden-württembergischen China-Community.

Porträt:
Melina Weber  韦玫霖
Influencerin / Video-Bloggerin


Hirns Köpfe Melina Collage 2



Eine Konstanzerin, die mit ihren Videos Brücken nach China baut –

Wie trennen die Deutschen ihren Müll und wie backen sie Apfelstrudel?

Melina Weber wohnt im schönen Konstanz am ebenso schönen Bodensee. Und trotzdem sagt sie: "Ich will so schnell wie möglich zurück nach China." Das hört sich nach Abneigung und Frust an, ist es aber nicht. In Konstanz ist sie aufgewachsen, hier hat sie den größten Teil ihres Lebens verbracht. Sie mag die Region. Der Drang nach China ist vielmehr eine Liebeserklärung an Land, Leute und Sprache – eine unter jungen Leuten eher seltene Begeisterung für ein Land, das viele eher als aggressiv und böse empfinden. Sie sagt: "Durch die kritische Darstellung haben junge Leute gar keine Lust, sich mit China zu beschäftigen."

Erste Schritte in Malaysia
Melina Weber hat Lust. Und das kam so: Sie wollte in der Oberstufe des Gymnasiums ihr Englisch verbessern und deshalb ein Jahr ins Ausland. Sie landete nicht in Großbritannien und auch nicht in den USA, sondern ... in Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias. Rudimentäres Interesse an Asien war da bei ihr schon vorhanden. Ihre erste Gastfamilie im Multi-Kulti-Land Malaysia war indischen Ursprungs, die zweite hatte chinesische Wurzeln. Zum ersten Mal kam sie in dieser Familie mit chinesischer Kultur in Berührung. Für die damals 17-jährige Melina wirkten die Schriftzeichen nicht abschreckend, sondern sie machten sie neugierig. Sie nahm ersten Sprachunterricht. Nach dem einen Jahr in Malaysia war ihr klar: "Ich will später unbedingt nach China gehen."

Und dann das Chinesisch durch die Decke
Doch zunächst galt es, das Abi zu machen. Danach studierte sie. Nein, keine Sinologie, sondern International Business im Dualen Studium bei Novartis im Dreiländereck Schweiz, Deutschland und Frankreich. Im vierten Semester ging sie nach Qingdao und reiste viel durchs Land. Danach kam sie staunend zurück: "Diese Reisen haben mir die Augen geöffnet, wie unglaublich schön die Landschaft ist und wie nett die Leute dort sind." So ging sie nach Ende des Studiums wieder und immer wieder nach China. Sie versuchte sich als private Englischlehrerin bei einer Familie in Guiyang, machte ein Praktikum bei einer Unternehmensberatung in Taipeh, lernte dort an der National Taiwan Normal Universität weiter Chinesisch. Sie musste ordentlich pauken. Jeden Tag gab es Tests. Doch es lohnte sich: "Danach ging mein Chinesisch durch die Decke", sagt sie. Trotzdem oder gerade deswegen lernte sie in Beijing weiter, ehe sie dort (nachdem sie in Taipeh schon als Model posiert hatte) einen einjährigen Schauspielkurs in Mandarin an der Filmakademie begann –  als einzige Europäerin unter Chinesen. Doch dann kam Corona. Melina kehrte zurück an den Bodensee.


Portrait Lila T Shirt


Neues Kapitel nach Corona: 18 Millionen Klicks!
Melina Weber begann ein neues Kapitel als Influencerin. Jede freie Minute nutzte sie, um Videos auf Mandarin über deutsche Kultur und Küche zu erstellen. Diese Videos sind jetzt auf vielen sozialen Kanälen zu finden – in westlichen und in chinesischen. Das Themenspektrum ist breit: Wie feiert man hierzulande Geburtstag, wie trennt man Müll (18 Millionen Klicks!) oder wie backt man einen Apfelstrudel (der Hit unter den Küchenvideos). Dafür zog sie auch ein Dirndl an. Denn: "Die Ästhetik ist auf den sozialen Medien unglaublich wichtig." Die Videos spielen immer in schönem Ambiente (rund um den Bodensee nahezu im Überfluss vorhanden ist) und sind für eine Hobby-Filmemacherin sehr professionell gemacht. Doch das kostet Zeit. Ihre Erfahrungswerte: Ein Kulturvideo braucht fünf Stunden, ein Kochvideo bis zu 18 Stunden und ein Fitnessvideo gar 20 bis 25 Stunden.

Neuer Kanal: "Journey to the East"
Melina Weber versteht sich mit ihren Videos als Brückenbauerin – den Chinesen will sie Deutschland näher bringen und umgekehrt den Deutschen China. Deshalb hat sie neuerdings auf Youtube einen weiteren Kanal gestartet, der "Journey to the East" heißt, in Anspielung auf den chinesischen Literatur-Klassiker "Die Reise in den Westen". Dort will sie vor allem Bildungsinhalte vermitteln, etwa das erfolgreiche Erlernen einer Fremdsprache oder das Umgehen interkultureller Fettnäpfchen.

Kann man davon leben?
Spätestens jetzt stellt sich die existenzielle Frage: Kann man davon leben? Sie antwortet: "Ich verdiene derzeit nicht genug mit Social Media." Deshalb, aber nicht nur deshalb, drängt es sie nach China. Denn dort bieten sich für auch für ausländische Influencer mit Chinesischkenntnissen viel mehr Möglichkeiten, zum Beispiel die Teilnahme an TV-Formaten oder Kooperationen mit lokalen Firmen. Allerdings gibt es bereits Konkurrenz aus Deutschland. Afu (Thomas Derksen) und Leo (Tilman Lesche) sind erfolgreiche deutsche Influencer in China. Melina Weber ist mit ihnen in Kontakt. Aufgrund ihrer gemeinsamen Leidenschaft wird die junge Deutsche von beiden ohne großes Zögern unterstützt. Spätestens im Herbst will Melina Weber wieder zurückgehen – einen Schritt weiter ins Abenteuer China.


Hirns Köpfe Melina Collage 1


Autor: Wolfgang Hirn
1.6.2023
E-Mail: mail@chinahirn.de