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Klagen in China: Was ist zu beachten?

Recht In China


Nun ist es doch so weit gekommen: Die gerichtliche Auseinandersetzung scheint unausweichlich; plötzlich steht man vor einer Reihe von Fragen - und das in einem Land, dessen Gerichtssystem sich stark vom deutschen oder anderen westlichen Gerichtsystemen unterscheidet. Während man in Deutschland gerne direkt die Gerichtskeule auspackt, wird in China ein großer Anteil der Streitigkeiten zunächst außergerichtlich geregelt. Wer in China klagen möchte, sollte sich zunächst über die Struktur des chinesischen Gerichtssystems informieren. Dabei können Experten helfen.
Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über Fakten und Eigenschaften. Autor ist Richard Hoffmann.

In China gibt es Volksgerichte auf lokaler, mittlerer und höherer Ebene sowie das Oberste Volksgericht, das Supreme People’s Court. Gerichtsentscheidungen von ausländischen Gerichten sind meist schwer durchzusetzen. Chinas Reaktion auf den wachsenden wirtschaftlichen Austausch und Konflikte, die damit einhergehen: 2018 wurde für internationale Handelsfälle das "China International Commercial Court (CICC)" errichtet, ein internationales Handelsgericht in den Städten Shenzhen und Xi’an. Hier werden Handelsfälle mit einem Streitwert von mindestens 300 Mio. RMB behandelt. Für kleinere Streitwerte bestehen gute Möglichkeiten.

Bevor es zum Gericht geht: Mediation
Anders als in Deutschland hat die außergerichtliche Streitbeteiligung in China hohen Stellenwert. Die sog. Volksschlichtung ist im Volksschlichtungsgesetz aus dem Jahr 2010 geregelt. Mit der Reform des Zivilprozessgesetzes im Jahr 2013 wurde das Mediationsverfahren institutionalisiert - möglichst vor jedem Gerichtsverfahren soll ein Schlichtungsverfahren vorgeschaltet werden, sofern dies angemessen erscheint. Die Reform stärkt ebenfalls die gerichtliche Durchsetzung von Schlichtungsvereinbarungen und Vergleichen.

Gepfändet!
In China findet die Vollstreckung von Gerichtsurteilen meis in einem Beugeverfahren statt, indem Vermögensgegenstände gepfändet oder versiegelt werden. Die Vollstreckung der chinesischen Gerichtsurteile wird auf Antrag vom Gericht erster Instanz ausgeführt. Erst nachdem das Vermögen verpfändet wurde, hat der Vollstreckungsschuldner die Gelegenheit, dem Vollstreckungstitel nachzukommen - tut er das nicht, dann wird das Vermögen verwertet. Doch in der tatsächlichen Ausführung stellt sich dieser Prozess als besonders mühselig dar, insbesondere wenn die Gläubiger ausländische Unternehmen sind.

Was passiert, wenn ein Gerichtsurteil im Ausland gefällt wurde?
Hier gehen Theorie und Praxis getrennte Wege: Obwohl die Artikel 281 und 282 des chinesischen Zivilprozessgesetzes eine rechtliche Grundlage für die Vollstreckung von ausländischen Gerichtsurteilen bietet, werden diese tatsächlich kaum ausgeführt. Allerdings sind seit 2008 Gerichtsentscheidungen von den Gerichten Hongkongs oder der VR China in Bezug auf Geldleistungen vollstreckbar. Die Rechtsgrundlage dafür bietet das "Arrangement on Reciprocal Recognition and Enforcement of Judgments in Civil and Commercial Matters by the Courts of the Mainland and the HKSAR pursuant to Choice of Courts Agreements between Hong Kong and Mainland China". Am 18. Januar 2019 wurde eine neue Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen unterzeichnet, welche die vorherige Vereinbarung von 2006 erneuert. China unterzeichnete zwar am 12. September 2017 das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (Haager Vereinbarung), allerdings wurde es bislang noch nicht ratifiziert.

Schiedsgerichtbarkeit
Im Jahr 1987 wurde China Mitglied des New Yorker Abkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen vom 10. Juni 1958. Ausländische Schiedssprüche sind also vollstreckbar, solange der Schiedsort sich in einem Vertragsstaat des Abkommens befindet und Handelssachen gemäß der Definition im chinesischen Recht vorliegen. Die Regelungen zu Schiedsverfahren ergeben sich aus den Artikeln 271 bis 275 des Zivilprozessgesetzes. Daneben besteht das Schiedsgesetz aus dem Jahr 1997, das zuletzt 2017 überarbeitet wurde.

Es gibt über 250 Schiedsinstitutionen in China. Eine der prominentesten Schiedskommissionen ist die "China International Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC)". Sie ist vor allem eine der international anerkanntesten Schiedsinstitutionen. Von ihr haben sich die Schiedskommissionen in Shanghai (SHIAC) und Shenzhen (SCIA) abgespalten. Für die Abgrenzung von Zuständigkeiten hat das Oberste Volksgericht 2015 eine Auslegung erlassen. Eine weitere Kommission ist beispielsweise die "Beijing Arbitration Commission/Beijing International Arbitration Center" (BAC).

Vertretung und Beratung
Während für ausländische Parteien kein Anwaltszwang vorgesehen ist, sind ausländisch investierte Unternehmen (SE) chinesische juristische Personen und gelten grundsätzlich als Inländer. Die gerichtliche Vertretung von ausländischen Parteien muss durch lokale Rechtsanwälte einer chinesischen Kanzlei übernommen werden. Ohne chinesische Rechtsanwaltszulassung und Geschäftslizenz dürfen ausländische Rechtsanwälte oder chinesische Anwälte ausländischer Kanzleien keine förmliche juristische Vertretung im Gerichtsverfahren übernehmen.

Die Wahl des richtigen Anwalts ist oftmals kriegsentscheidend. Achten Sie darauf, Ihre Bedürfnisse als deutsche Firma mit einzubeziehen: Sofern Sie gewinnen, sollten die Gelder nicht nur in China, sondern auch in Deutschland zugänglich sein. Von Anfang an müssen daher die Besonderheiten der Devisenaufsichtsbehörden in China beachtet werden. Ansonsten geht es Ihnen wie vielen anderen: Sie gewinnen zwar in China, aber die Gelder hängen fest und es kommt nicht zur Auszahlung.

Qualifizierten chinesischen Anwalt finden
Zwei wichtige Anhaltspunkte für die Suche:

. Gute Reputation! Suchen Sie einen Anwalt, der möglichst schon ähnliche Fälle wie ihren erfolgreich gewonnen hat.

. Der Anwalt sollte sich örtlich in der Nähe des zuständigen Gerichts befinden. Es macht es wenig Sinn, einen Anwalt aus Shanghai für einen Rechtsstreit in Peking heranzuziehen, da es hier – abgesehen von zusätzlichen Reisekosten – an Kenntnis der Besonderheiten in Peking fehlt.

Fazit: China entwickelt sich zunehmend zu einem Land mit einem Rechtssystem, in dem man mit der richtigen Strategie auch zu seinem Recht kommt. Dafür ist es wichtig, besonders am Anfang bei entscheidenden Punkten Fehler zu vermeiden und strategisch gut aufgestellt zu sein.  

Autor:
Richard Hoffmann
Internationaler Rechtsanwalt mit Schwerpunkt China. 2012 gründete er in China eine Rechts- und Steuerberatungskanzlei für den deutschen Mittelstand. In kürzester Zeit wuchs sie zur größten Kanzlei in dem Bereich und der Region heran und wurde Ende 2019 mit 70 Mitarbeitern verkauft. Richard Hoffmann ist heute Eigentümer einer international ausgerichteten Rechtsanwaltskanzlei in Heidelberg mit zehn Kooperationsbüros in China sowie Vorstandsmitglied von ECOVIS International.