Zum Nachlesen: Rohstoffkongress 2022 und Forderungen des BDI
Am 20. Oktober 2022 diskutierten rund 400 Vertreter aus Politik, Industrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft beim BDI-Rohstoffkongress 22 in der Berliner European School of Management and Technology (ESMT), wie die Rohstoffversorgung für die deutsche Industrie auch nach der Zeitenwende nachhaltig gelingen kann. Ein wesentlicher Punkt: Die Abhängigkeit von vielen mineralischen Rohstoffen aus China ist bereits heute größer als jene von Erdöl und Erdgas aus Russland. Es sprachen u. a. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Maroš Šefčovič (Vizepräsident Europäische Kommission) und Franziska Brantner (MdB, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
Fünf-Punkte-Plan des BDI –
Deutschland braucht eine strategische Rohstoffpolitik
BDI-Präsident Siegfried Russwurm: "Rohstoffe werden gerade von Russland als Waffe eingesetzt. Deutschland ist erpressbar. Im Gegensatz zu Öl und Gas gibt es bei kritischen mineralischen Rohstoffen keine nationalen Reserven. Die politische Zeitenwende ist auch eine Zeitenwende für die Versorgung mit mineralischen Rohstoffen."
Deutschland und Europa drohten den globalen Wettbewerb um strategisch wichtige Rohstoffe zu verlieren mit fatalen Folgen für die Versorgungssicherheit und die Abhängigkeit von anderen Ländern. "Bei kritischen mineralischen Rohstoffen wie seltenen Erden ist die Abhängigkeit, insbesondere von China, bereits wesentlich größer als die bisherige Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energieträgern", warnte der BDI-Präsident. Die deutsche Industrie fordere einen gemeinsamen Kraftakt zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft: "Die Versorgung mit kritischen Rohstoffen muss in Zukunft als strategisch für die nationale Sicherheit gelten", sagte Russwurm.
Dazu bedürfe es einer ganzheitlichen und strategischen Rohstoffpolitik, die auf drei Säulen basieren müsse: Geopolitische Versorgungsrisiken sollten durch die Stärkung heimischer Rohstoffe, den Zugang zu Importrohstoffe aus dem Ausland und dem Ausbau von Recyclingrohstoffen reduziert werden. "Keine Säule allein kann die Rohstoffsicherheit Deutschlands und Europas gewährleisten. Das Ziel sind integrierte Wertschöpfungsnetzwerke für strategische Bereiche in Europa und mit zuverlässigen Partnern. Versorgungssicherheit mit kritischen Rohstoffen gehört in die nationale Sicherheitsstrategie. Autarkie ist keine Option", erklärte der BDI-Präsident.
Für eine stärkere Förderung des heimischen Rohstoffabbaus erwarte die Industrie von der Politik, Bergbau raumplanerisch zu ermöglichen, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Russwurm forderte von Politik und Gesellschaft größere Kompromissfähigkeit: "Das Beharren auf ideologischen Positionen hilft in der aktuellen Krisenlage nicht weiter. Künftig sollte zum Beispiel auch die heimische Lithium-Förderung mit höchsten Standards einen Beitrag zur Reduktion der Importabhängigkeit leisten", erklärte der BDI-Präsident. Im Gegensatz zu importiertem Lithium entstünde bei der heimischen Förderung aufgrund kurzer Wege ein geringerer CO2-Fußabdruck – das sei ein Gewinn für die Klimabilanz und die Versorgungssicherheit.
Neben der heimischen Förderung blieben Deutschland und Europa auf internationale Rohstoffkooperationen und den Abbau kritischer Rohstoffe im Ausland angewiesen. "Kooperationen mit rohstoffreichen Ländern mit hohen Standards müssen wir intensivieren, etwa mit Australien. Kritische Rohstoffe sollten zentrale Bausteine in Handels-, Investitions- und entwicklungspolitischen Abkommen sein. Nur so fördern wir nachhaltigere Exploration und Raffinierung vor Ort", betonte Russwurm.
Als letzten Bestandteil einer strategischen Rohstoffpolitik nannte der BDI-Präsident die Kreislaufwirtschaft. Deutschland sei beim Recycling im internationalen Vergleich schon vorn mit dabei. Allerdings gäbe es bei Rohstoffen für Zukunftstechnologien noch erhebliche Defizite; etliche Tonnen gingen durch Nicht-Recycling verloren. "Wir müssen die Kreislauffähigkeit noch mehr als bisher ganz zu Beginn der Wertschöpfungskette, beim Produktdesign, ansetzen. Unternehmen brauchen geeignete Rahmenbedingungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, die eine Verwendung von Recyclingmaterialien und industriellen Nebenprodukten sowie private Investitionen fördern", so Russwurm. Innovationen bei Herstellungs-, Aufbereitungs- und Verwertungsverfahren sollten über Forschungsförderung unterstützt werden. Lieferkettengesetze, EU-Chemikalienrecht und Taxonomie dürften auf keinen Fall die notwendige Diversifizierung der Rohstoffversorgung gefährden.
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