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Was bringen Sanktionen? CNBW-China Post aus Nanjing

One Way  Fidel Fernando Unsplash   Klein


China Post aus Nanjing, 27. April 2021 … Anfang März glich Beijing einer belagerten Stadt – es war die Zeit der „zwei Sitzungen“, den Vollverversammlungen des nationalen Volkskongresses und der politischen Konsultativkonferenz der Volksrepublik China. Dabei handelt es sich um das faktische Parlament des Landes, die Legislative. Es tritt nur einmal im Jahr zusammen, eben zum Jahresbeginn.

Über die verschiedenen Beschlüsse der diesjährigen Konferenzen wurde in der westlichen Presse schon viel berichtet. Aber bevor ich darauf komme, will ich einfach einmal erklären, was sich hinter den beiden politischen Begriffen genau verbirgt.

Nationaler Volkskongress
Der Nationale Volkskongress besteht aus Vertretern der Volkskongresse auf Provinzebene, die über das System des demokratischen Zentralismus gewählt worden sind. Das bedeutet: Die unterste Ebene (Dorfgemeinschaft oder Einwohner eines Straßenkomitteebezirks) wählt Vertreter in den untersten Volkskongress (Kreis- oder Stadtebene). Diese Mitglieder wählen dann die Vertreter für den nächsthöheren Volkskongress aus ihrer Mitte. Die Kommunistische Partei nimmt Einfluss auf die Liste der Wahlkandidaten, wobei es auf der unteren Ebene in vielen Bereichen keinen Listenzwang gibt und sich die Interessenten selbst aufstellen lassen können. Neben den regionalen Vertretern sind auch Delegierte der Armee Teil des Volkskongresses. Ein deutlicher Anteil an Prominenz zeichnet den Volkskongress aus – kaum ein CEO eines wichtigen Unternehmens, der nicht auch im Volkskongress eine Stimme hat.

Die Aufgabe des nationalen Volkskongresses besteht vor allem darin, die Arbeitsberichte und Planungen der Regierung zu hören, zu diskutieren und zu verabschieden. Formal ist der nationale Volkskongress das wichtigste Staatsorgan unter der Führung der Kommunistischen Partei. Die politische Konsultativkonferenz diskutiert und kommentiert die Berichte und Planungen der Regierung ohne Beschlussrecht, trägt aber im Plenum deren Vorschläge vor. Die Konsultativkonferenz, die es auch auf Stadt- und Provinzebene gibt, besteht aus Kadern verschiedener Bereiche der Staatsverwaltung, die das Pensionsalter überschritten haben, und deren Erfahrungen auf diese Weise weiter genutzt werden sollen.

14. Fünfjahresplan
Diesjähriger Schwerpunkt war die Verabschiedung des 14. Fünfjahresplans, der die wirtschaftliche Entwicklung Chinas sicher mehr prägen wird als der vorherige Plan. Das nationale und internationale Umfeld hat sich geändert. Chinas Wirtschaft wuchs in den vergangenen Jahren beträchtlich. Xi Jinpings Macht ist auf dem Höhepunkt. Selbst die Covid-Krise wurde gemeistert. Die Infrastruktur des Landes wurde ausgebaut und die Armut offiziell besiegt. Nun geht es darum, für alle „bescheidenen Wohlstand“ und eine harmonische Gesellschaft zu gestalten.

Trotz des Handelsstreits mit den USA konnte der chinesische Außenhandel wachsen. Die Sanktionen der USA haben eher den Effekt, den Aufbau der nationalen Industrie in kritischen Bereichen zu beschleunigen. Ein direkter Einfluss der neuen internationalen Gegebenheiten auf den 14. Fünfjahresplan ist nun die endgültige Einsetzung der „Zwei-Kreislauf-Wirtschaft“ (dual circulation economy).

Sanktionen: Auswirkungen auf CAI
Chinas Wirtschaft hat im ersten Quartal 2021 deutlich zugelegt: 18,3% gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum und 10,3% gegenüber dem ersten Quartal 2019. Ein Grund mehr für die chinesische Regierung, mit Zuversicht und großem Selbstvertrauen in die Zukunft zu blicken. Entsprechend ist auch der wachsende Anspruch Chinas auf eine globale Führungsrolle einzuschätzen. Das zeigt auch die Reaktion auf die unglücklichen Sanktionen, die die EU auf einige wenige chinesische Politiker im Zusammenhang mit der chinesischen Politik in Hong Kong und Xinjiang verhängte. Die Sanktionen, die China daraufhin auf EU-Parlamentarier und einige Think Tanks in Europa verhängte, wiegen schwerer. Vor allem wird dadurch auch eine Ratifizierung des Investmentabkommens CAI fürs Erste vorbei sein. Dazu kommen noch die Boykottaufrufe in China gegen Firmen, die sich gegen Baumwolle aus Xinjiang ausgesprochen haben; hiervon ist vor allem H&M betroffen.

Fronten nicht verhärten
Aus meiner Sicht sind weder Sanktionen gegen China noch gegen die EU zielführend. Nur wenige der seit dem Ende des zweiten Weltkriegs verhängten Sanktionen haben sich später als wirklich wirksam erwiesen. China ist für die EU und Deutschland ein wichtiger Handelspartner. Viel deutsches Investment ist nach China geflossen. Unsere Unternehmen haben zum Ausbau des Landes beigetragen. Eine Politisierung der Wirtschaftsbeziehungen, die auch von China vor allem in Richtung Nordamerikas und Australien betrieben wird, konnte für Europa bisher vermieden werden.

Das europäische Verhältnis zu China war bisher deutlich anders als das Verhältnis der USA mit China. In den vergangenen Wochen konnte man aber beobachten, wie sich die verschiedenen deutschen Akteure in Sachen China positioniert haben. Ich meine: Kritik war und bleibt legitim, aber sie darf niemals einseitig negativ sein. Es wird in Zukunft mehr denn je darauf ankommen, Lösungen herbeizuführen, auch wenn das in bestimmten Bereichen Jahre dauern wird. Eine Verhärtung der Fronten zwischen China und der EU hilft niemandem, am wenigsten den Uiguren oder den Einwohner Hong Kongs. Der politische Dialog muss aufrechterhalten werden – zugleich aber ohne Kniefälle. Denn die würden einen neuen Status quo ohne weitere Optionen schaffen. Das gilt im Übrigen nicht nur für China, sondern auch für andere heikle Regionen auf dieser Welt. 

(Bernhard Weber, Baden-Württembergs Vertreter in China und CNBW-Vorstandsmitglied)

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