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China Post aus Nanjing: Von Autos, Familie und wandernden Elefanten

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China Post aus Nanjing, 22. Juni 2021
Von Bernhard Weber, Baden-Württembergs Vertreter in China und CNBW-Vorstandsmitglied 


Von Autos …
Vor einigen Wochen besuchte ich die große jährliche Automesse "Shanghai International Car Show". Die Medien haben darüber schon ausführlich berichtet, deshalb gebe ich hier meine persönlichen Eindrücke wieder.

Der chinesische Automarkt entwickelte sich nach der Öffnung des Landes 1978 relativ schnell. In den 80er Jahren war für viele chinesische Menschen ein eigenes Autos nicht vorstellbar, heute ist für die chinesische Mittelschicht der Besitz eines Wagens sehr wichtig. Die chinesische Autoindustrie wurde in den ersten Jahrzehnten entscheidend von ausländischen Marken geprägt. Auch wenn diese Firmen in China nur Minderheitsbeteiligungen mit chinesischen Firmen gründen durften, war es für die meisten ein lohnendes Geschäft. Besonders unsere deutschen Autohersteller VW, Mercedes Benz, Porsche und BMW sind bis heute auf dem chinesischen Markt sehr erfolgreich unterwegs. War das Straßenbild bis vor einigen Jahren vor allem von ausländischen Automarken geprägt, so sind in der Zwischenzeit immer mehr Wagen chinesischer Firmen auf den Straßen. Seit die Regierung die Umstellung auf Elektrofahrzeuge forciert, sieht man neben Tesla zunehmend interessante E-Autos chinesischer Marken. Beispiele: NIO, BYD, Xpeng, Li Auto. In den Städten fahren ganze Taxiflotten nur elektrisch. Experten gehen davon aus, dass 2021 in China ca. 2 Mio. E-Autos verkauft werden – bei einem Gesamtvolumen von ca. 28 Mio. Pkws.

Entsprechend war dann auch die diesjährige Autoshow von elektrischen Fahrzeugen geprägt. Mich – als Laien – haben dabei die neuen chinesischen Marken mit ihren schicken Wagen am meisten beeindruckt. Bisher sind in China ja eher größere Fahrzeuge beliebt. Autos sind auch Statussymbole und werden gerne größer gekauft, damit man auch mal die drei Generationen einer Familie chauffieren kann. Überraschend ist, dass das seit Anfang des Jahres meist verkaufte E-Auto nicht von Tesla, NIO oder Geely stammt, sondern von der Firma SAIC-GM Wuling. Deren Hongkuang MiniEV wird in Liuyhou in der Proviny Guanxi in Südchina hergestellt. Von diesen Wagen wurden dieses Jahr bis Ende Mai 128.000 Stück verkauft. An zweiter Stelle rangiert Tesla (40.000). Mir persönlich hat dieses MiniEV sehr gut gefallen, ich würde mir so etwas auch gerne kaufen. Es handelt sich um ein Fahrzeug in der Größe eines Fiat 500, in einer etwas eckigeren Form mit drei Türen; bei zurückgeklappter Rückbank gewinnt man respektablen Stauraum. Der Wagen ist für weniger als umgerechnet 5.000 Euro in verschiedenen Farben erhältlich; gegen Aufpreis gibt es auch „Hello Kitty“- oder „Military“-Versionen … Dieses Jahr kam eine Serie namens Macaron in Pastellfarben heraus (erinnern an die in China beliebten Makronen). Auf den E-Commerce Märkten des Landes gibt es für das MiniEV eine große Auswahl von Accessoires. Das Gefährt hat sich zu Kultauto für junge Menschen und als erstes erschwingliches Auto für die Landbevölkerung entwickelt. Ein chinesisches Volksauto? Auf alle Fälle werden so Kundenkreise für E-Fahrzeuge erschlossen, die bisher nur mit einem Zweirad unterwegs waren.

Von der Familie …
Kleine Autos eignen sich freilich nicht im Kontext der chinesischen Familienplanungsgesetzgebung, nach der nun bis zu drei Kinder pro Familie erlaubt sind. Ich meine: Dieses Zugeständnis als Folger der verfehlten Bevölkerungspolitik wird genauso erfolglos bleiben wie die Erhöhung auf zwei Kinder vor einigen Jahren. Die Geburtenrate sank danach einfach weiter. Dass es Anfang der achtziger Jahre überhaupt zu einer staatlich geregelten Geburtenbeschränkung auf ein Kind pro Familie kommen konnte, geht auf die damalige Situation zurück: In den fünfziger und sechziger Jahren förderte Mao eine möglichst schnelle Vermehrung des Volkes und prämierte besonders kinderreiche Familien – mit schwerwiegenden Folgen: Mit der Bevölkerungsexplosion gingen diverse Verknappungen einher. Die Nahrungsversorgung aus dem eigenen Land konnte nicht Schritt halten, Wohnraum in den Städten wurden knapp und die Lebenssituation im ganzen Land extrem ärmlich. Um einem weiteren sprunghaften Anstieg der Bevölkerung durch Babyboomer der ersten Welle mit dann zwei oder mehr Kindern zu verhindern, wurde die Ein-Kind Regelung mit großer Macht durchgesetzt. Ergebnis: eine unausgeglichene Bevölkerungspyramide mit Millionen mehr Männern als Frauen, auch als Folge gezielter Abtreibungen und Infantiziden, um traditionellen Vorstellungen von Stammhaltertum gerecht zu werden.

Da die Versorgung im Alter im großen Ganzen auf den Schultern der Kinder ruht, wird eine zukünftige arbeitende Bevölkerung zwei alte Paare pro Familie versorgen müssen. In einer Gesellschaft, in der normalerweise beide Ehepartner arbeiten und die Schulausbildung teuer und zeitaufwändig ist, wird auch die neue Drei-Kind Politik nicht viel bringen. Alle meine Bekannten, die ich dazu befragte, haben entsprechend laut gelacht …

Von wandernden Elefanten …
Mit Freude wird in den vergangenen Wochen dagegen die Ausflugsreise einer ursprünglich 15-köpfigen Elefantenherde verfolgt, die im April aus dem großen chinesischen Elefantenreservat zwischen Burma und Laos im Süden der Provinz Yunnan losmarschierte und vor kurzem die Provinzhauptstadt Kunming erreichte. Ein spezieller Polizeieinsatz sorgt für die Sicherheit der Elefanten und der betroffenen Siedlungen, in denen die Herde durchzieht. Drohnen dokumentieren die Bewegung, und es wird versucht, den Tross zum Rückweg ins Reservat zu animieren, vor allem durch Auslegen von Futter und dem Aufbau von Hindernissen. Die Elefanten fressen sich durch Felder und Plantagen. Sie durchstöbern auch mal im Vorbeitraben mit dem Rüssel Häuser auf der Suche nach Essbarem. Sie haben gelernt, wie man einen Wasserhahn aufdreht, um an Wasser zu kommen. Auf der Reise kam ein Kalb auf die Welt. Zwei Elefanten der ursprünglichen Gruppe sind schon früher wieder zurückgekehrt.

Auch Spezialisten rätseln über den Grund dieser außergewöhnlichen Reise: Ist es die Unerfahrenheit des Leittiers oder das mangelnde Futterangebot im Reservat? Das ist immerhin so groß wie die Insel Irland. Als es in den achtziger Jahren eingerichtet wurde, lebten dort rund 150 Elefanten; inzwischen sind es mehr als 300. Für mich zeigt das große Interesse am Wohlergehen der Herde, dass sich in der Einstellung vieler Chinesen zu Tieren sehr viel verändert hat … Hoffen wir, dass die Gruppe gut heimkommt. Meine heimliche Vermutung: Der Tross will rechtzeitig zur großen 100 Jahr-Feier der Kommunistischen Partei Chinas am 1. Juli in Kunming sein …


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