Hirns Köpfe: Anne Brennig (Konfuzius-Institut Freiburg) - "Kultureller Austausch sollte auch kontroverse Themen nicht ausklammern"
Exklusiv: CNBW-Porträtreihe
Hirns Köpfe
Seit 1986 reist der Journalist Wolfgang Hirn regelmäßig nach China. Rund 35 Jahre schrieb er für das manager magazin. Er ist Buchautor und Herausgeber der Newsletters CHINAHIRN. Für das CNBW beschreibt der gebürtige Tübinger spannende Persönlichkeiten der baden-württembergischen China-Community.
Porträt:
Anne Brennig
Geschäftsführende Direktorin
Konfuzius-Institut an der Universität Freiburg
... kennt Gegend und Mentalität ihrer alemannischen Landsleute bestens
Wir sitzen im sogenannten Porzellan-Zimmer des Freiburger Konfuzius-Instituts. An drei Seiten des Raumes stehen Vitrinen prall gefüllt mit diversen chinesischen Kunstobjekten: von Porzellan über Jadefiguren und Elfenbeinschnitzereien bis Lackarbeiten. "Diesen Querschnitt des kunsthandwerklichen Schaffens zur Zeit der Qing-Dynastie hat uns der aus dem Schwarzwald stammende Sammler Otmar Kurrus hinterlassen", sagt Anne Brennig (40). Sie ist Geschäftsführende Direktorin des Instituts, das mitten in der Freiburger Innenstadt liegt. Seit 2010 arbeitet Brennig im Institut, seit 2016 ist sie die Geschäftsführerin. So umstritten die Konfuzius-Institute im Rest der Republik auch sein mögen, hier im äußersten Südwesten des Landes ist das Institut eine geachtete und in der Kommune integrierte Institution, was auch ein Verdienst von Anne Brennig ist. Sie in Freiburg aufgewachsen und kennt damit Gegend und Mentalität ihrer alemannischen Landsleute bestens.
Annäherungen an Ostasien via Blumen
Wie sie denn zu China gekommen sei, will ich zu Beginn wissen. "Oh, das ist gar nicht so einfach zu erklären", antwortet sie. Es habe keine Schlüsselerlebnisse, keine Wow-Momente, keine Mentoren gegeben, die sie für China begeistern ließen. Erste Annäherungen an Ostasien erfuhr sie durch das Blumengeschäft ihrer Mutter. Hier waren jährlich japanische Gruppen für mehrwöchige Blumenkurse zu Gast, die sich ür die deutsche Blumenkunst interessierten. So die Affinität zu Asien und auch viele Freundschaften, die bis heute bestehen.
"Für den Lehrerberuf nicht geeignet" - besser: Schwerpunkt Sinologie
Aber nach dem Abitur (im Frühsommer 2004 abgeschlossen) ging Anne Brennig erst einmal zu einem dreimonatigen Volontariat nach New York in eine Kosmetikfirma. Danach begann die Sprachbegabte (Englisch, Französisch, Italienisch, Chinesisch) ein Lehramtsstudium: Deutsch, Erziehungswissenschaften und Französisch. Doch schon bald merkte sie: "Ich bin für den Lehrerberuf nicht geeignet." Nach einem Jahr stieg sie aus dem Studium aus. Und nun?
Mit einer Freundin begann sie in Heidelberg Ostasienwissenschaften mit dem Schwerpunkt Sinologie und dem Nebenfach Japanologie zu studieren. In Heidelberg ist ja für Sinologen vor dem eigentlichen Studium ein einjähriges Propädeutikum zum Erlernen der chinesischen Sprache vorgeschaltet. "Das war schon wahnsinnig." Doch wer das überlebt, gibt so schnell nicht auf. Brennig zog das Studium durch.
Im Team Olympia
Während des Studiums war die Freiburgerin in China, genauer an der Fremdsprachenuniversität (BFSU) in Beijing. Das war 2007 bis 2008. Es war die Zeit unmittelbar vor den Olympischen Sommerspielen. Brennig gehörte auch zum Team Olympia. Sie half an Infoständen mit und brachte chinesischen Volontären der Olympiade Englisch bei. "Es war eine Zeit des Aufbruchs: Alle haben sich damals gefreut", erinnert sie sich.
2010 Start am KI in Freiburg
Nach dem Studium kehrte Anne Brennig nach Freiburg zurück. Im Sommer 2010 fing sie beim Konfuzius-Institut an der Universität Freiburg an. Das Institut wurde ein Jahr zuvor gegründet. Als Partner fungierten die Stadt Freiburg (damals noch vertreten durch die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe Beteiligungs-GmbH - FWTM), die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie die Nanjing Universität. So ist es bis heute geblieben, was sich auch in der personellen Besetzung des Vorstands niederschlägt. Brennig pflegt ebenso die Kontakte zu den örtlichen Honoratioren und Institutionen. "Wir versuchen bei Veranstaltungen immer mit lokalen Partnern zu kooperieren." So fand zum Beispiel ein Vortrag über "Chinesisches Theater heute" im Freiburger Wallgraben Theater statt.
Herzensprojekt: Ostercamp
Besonders intensiv und wichtig ist der Kontakt zu Schulen im südbadischen Raum. Viele bieten Chinesisch-AGs an. An zwei Gymnasien (in Staufen und St. Blasien) existiert ein Konfuzius-Klassenzimmer. Und dann gibt es noch das Ostercamp für Schülerinnen und Schüler in China. "Das ist ein Herzensprojekt von mir. Brücken zu schlagen ist eine zentrale Aufgabe unserer Arbeit." Junge Menschen zwischen 14 und 18 Jahren fliegen für zwei Wochen nach China, treffen dort unter anderem auf chinesische Schülerinnen und Schüler, besuchen Firmen und Bildungseinrichtungen. Fünfmal war sie selbst als Betreuerin dabei. Sie weiß deshalb, wie wertvoll ein solch persönlicher Austausch ist, auch um mögliche Vorurteile abzubauen.
Indoktrination?
Und wie reagiert Anne Brennig auf den Vorwurf der Indoktrination, der immer wieder gegen die Konfuzius-Institute erhoben wird? "Unser Ziel ist es, durch unsere Veranstaltungen ein vielseitiges und differenziertes Bild Chinas zu vermitteln. Das Programm in Freiburg gestalten wir eigenständig", betont Anne Brennig. "Kultureller Austausch sollte auch kontroverse Themen nicht ausklammern, sondern Raum für offene Diskussionen bieten."
"Etwas Authentisches in Pin's Kitchen"
Gerade haben sie und ihr Team das neue 60 Seiten (!) starke Programmheft für den Zeitraum September bis März 2026 veröffentlicht. Es ist ein vielfältiges Programm, das von den obligatorischen Chinesisch-Sprachkursen über Lehrerfortbildung, Tandempartys und Kinoabende bis hin zu wissenschaftlichen Vorträgen und Lesungen sowie Koch-Workshops reicht. Klar, dass spätestens jetzt die Frage kommen muss, welche chinesische Küche sie am liebsten mag. "Ich liebe die Sichuan-Küche und besonders das zweifach gegarte Schweinefleisch."
Und weil das nahe Münster gerade 12 Uhr geschlagen hat, liegt eine weitere Frage sozusagen auf der Zunge: Ob wir nicht essen gehen wollen - Badisch? "Nein, Chinesisch", sage ich. Sie kenne da was, simpel eingerichtet, aber zumindest etwas authentisch. Wir laufen quer durch die Innenstadt und stehen nicht weit vom berühmten Martinstor vor "Pin’s Kitchen". Viele Chinesen sitzen dort. Es wird gute Sichuan-Küche serviert.
Mein Fazit: In Freiburg kann man nicht nur gut Chinesisch lernen, sondern auch gut Chinesisch essen.
Autor: Wolfgang Hirn
29.9.2025
E-Mail: mail@chinahirn.de
Buchhinweis:
Wolfgang Hirn, "Der Tech-Krieg: China gegen USA - und wo bleibt Europa?"
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