Hirns Köpfe: Stephan Mayer, Vorstandsmitglied bei Trumpf
Exklusiv: CNBW-Porträtreihe
Hirns Köpfe
Seit 1986 reist der Journalist Wolfgang Hirn regelmäßig nach China. Rund 35 Jahre schrieb er für das manager magazin. Er ist Buchautor und Herausgeber der Newsletters CHINAHIRN. Für das CNBW beschreibt der gebürtige Tübinger spannende Persönlichkeiten der baden-württembergischen China-Community.
Porträt:
Dr.-Ing. Stephan Mayer
Mitglied des Vorstands bei TRUMPF
Werkzeugmaschinensparte
Verantwortlich für Landesgesellschaften und Regionen
Selbst eingebrockt: "Ich gehe nach China"
Als Stephan Mayer (42) im Frühjahr 2019 von der Geschäftsführung des Hochtechnologieunternehmens Trumpf gefragt wurde, ob er nicht nach China gehen wolle, um die dortige Landesgesellschaft zu leiten, hatte er zunächst seine Zweifel. Der in Schramberg geborene Schwabe ist sehr heimat- und naturverbunden sowie sportlich aktiv. Und nun nach Shanghai? "Großstädte in China waren nicht so mein Ding", sagt Mayer heute, der diese Metropolen schon kannte. Seine allererste Reaktion auf das neue Jobangebot war also eher skeptisch. Doch noch am gleichen Abend kam eine zweite Reaktion auf, die weniger emotional, sondern mehr rational unterlegt war. Mayer war damals Geschäftsführer Produktion und Einkauf der Werkzeugmaschinensparte von Trumpf. In dieser Funktion hatte er häufig mit China zu tun, wo Trumpf eine Niederlassung in Taicang – Mekka der schwäbischen Mittelständler – und das 2013 übernommene Unternehmen Jinfangyuan (JFY) in Yangzhou hat. Immer wieder wurde in Ditzingen diskutiert, ob man in China richtig aufgestellt sei, ob man dort produktiv und effizient sei, ob man vom Standort China aus eventuell auch andere Länder bedienen solle. Und Mayer diskutierte mit, brachte Vorschläge ein. Die Folge beschreibt er selbst: "Wie das dann so ist, heißt es dann irgendwann, dann mach das doch!" Deshalb sagte er sich noch am selben Abend: "Gut, das habe ich mir jetzt selber eingebrockt. Ich gehe nach China."
Coach und drei Bücher über Xi
Am 1. April 2019 trat Stephan Mayer sein Amt als Geschäftsführer von Trumpf China an. China ist für das Hochtechnologieunternehmen mit einem Umsatz von rund 600 Mio. Euro so wichtig wie die USA. Es war freilich nicht so, dass der studierte und promovierte Maschinenbau-Ingenieur (beides am KIT in Karlsruhe absolviert) die große weite Welt nicht kannte. In seinen bis dato achteinhalb Jahren bei Trumpf war er viel unterwegs, ebenso bei McKinsey vor seiner Trumpf-Zeit. Aber Expat vor Ort war er noch nie. Er nahm sich einen China-Coach, der ihm erzählte, welche kulturellen Unterschiede bestehen. Er las viel: "Allein drei Bücher über Xi Jinping." Er unterhielt sich intensiv mit den Mitarbeitern vor Ort. Und trotz aller guten Vorbereitungen gesteht Mayer ein: "Es war ein totaler Kulturschock."
Führung: In Taicang anders als in Yangzhou
Die Rolle des Staates, der Behörden, die Compliance, die Arbeitssicherheit, die Mitarbeiterführung – vieles war anders und gewöhnungsbedürftig. Natürlich hatte ihm zum Beispiel sein Coach eingebläut, dass das Ja-Sagen der Chinesen nicht unserem Ja-Sagen entspricht. "Aber ich hatte es nicht geglaubt." Das unterschiedliche Führungsverhalten konnte er deutlich an den beiden Trumpf-Standorten in China studieren. In Taicang führte man eher nach dem westlichem Konsensmuster. "Man bringt Argumente vor, diskutiert, überlegt und findet am Ende gemeinsam den richtigen Weg. Es geht darum, die Leute zu überzeugen und mitzunehmen." Ganz anders bei JFY in Yangzhou. Dort wird nicht diskutiert. "Die Mitarbeiter dort wollen Ansagen."
Er kann noch viele andere Unterschiede aufzählen. Dass zum Beispiel die Chinesen in der Regel offener seien, Dinge auszuprobieren. Deshalb seien sie oft schneller als die Deutschen, aber eben auch nicht so nachhaltig. Oder dass man in China unglaublich digital sei. Viele Geschäfte seien via WeChat abgewickelt worden. Dass Kundengespräche anders verlaufen. In China argumentiert der Kunde vom Budget her und fragt: Welche Maschine bekomme ich für diesen Betrag? In Europa fragt man anders: Ich habe folgendes Problem. Welche Maschine habt ihr hierfür?"
Pendenln zwischen China und Ditzingen
Stephan Mayer wohnte in Shanghai und fuhr von dort ins 40 Kilometer entfernte Taicang, wo inzwischen viele Mittelständler dem Beispiel Trumpf folgend ihren Sitz haben, und rund eineinhalb Stunden nach Yangzhou, Provinz Jiangsu. Ganz am Anfang war noch der Gedanke da, mit der Familie nach Shanghai zu gehen. Diese Idee wurde jedoch früh aus privaten und beruflichen Gründen verworfen. Seine Präsenz im Headquarter war immer wieder gefragt, weil Diskussionsbedarf bestand, denn man wollte zu der Zeit China von einem Vertriebshub zu einem Produktions- und Entwicklungsstandort für den lokalen Markt ausbauen. So pendelte Mayer zwischen Deutschland und China. Zwei Wochen dort, zwei Wochen hier. "Das war brutal anstrengend", sagt er rückblickend.
Dann kam Corona ...
... und es war Aus mit der regelmäßigen Pendelei. Danach flog er noch zweimal hin und her, nahm die wochenlange Quarantäne in China in Kauf. Im Juni 2020 kam er zum Schluss: "Das ist so nur bedingt sinnvoll." Er ging zurück nach Deutschland, wo er auch im Corona-Krisenstab mitarbeitete. Die China-Geschäfte führte er von nun an remote. Ständig wurde telefoniert, laufend wurden Fotos hin und her geschickt. "Ich habe noch nie eine so turbulente Zeit erlebt", resümiert Mayer.
Im März: Shanghai auf der Agenda
Inzwischen ist der Schwabe beim großen Vorzeige-Mittelständler in Ditzingen (Umsatz: 4,2 Mrd. Euro) aufgestiegen. Seit 1. Juli 2021 ist er im Vorstand zuständig für die Werkzeugmaschinensparte (Umsatz: rund 2,3 Mrd. Euro) und die Regionen Europa und China. Er wird also dem Land treu bleiben. Jetzt, wo die Einreisebestimmungen erleichtert und die Quarantäneregeln gekappt wurden, wird er auch wieder dorthin reisen. Der nächste Flug nach Shanghai ist im März 2023 geplant.
Autor: Wolfgang Hirn
25.1.2023
E-Mail: mail@chinahirn.de