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China Post aus Nanjing: Von Ritualen, Quarantäne und ... den Elefanten

China Post aus Nanjing, 10. August 2021
Von Bernhard Weber, Baden-Württembergs Vertreter in China und CNBW-Vorstandsmitglied 


Stay Home


Von Feier und Ritualen …
In meinem letzten Bericht (Juni, hier) bin ich auch auf den 100. Geburtstag der Partei eingegangen, der Ende Juni im ganzen Land mit großem Pomp gefeiert wurde. Vor dem Eingang unseres Büro in Nanjing, das sich innerhalb der Messehallen befindet, hatte die Propagandaabteilung der Stadt aus Holz und Pappe einen großen Eingangsbereich zur offiziellen Ausstellung zur Geschichte der Partei in Jiangsu aufbauen lassen. Alle Parteikader und die Angestellten staatlicher Betriebe und Behörden sollten sich in den folgenden Wochen und Monaten diese Ausstellung anschauen; wochenlang waren Busse unterwegs, und es standen große Gruppen von Menschen an.

Eine Provinzorganisation, von der ich im vergangenen Jahr einen Freundschaftspreis bekam, hatte mich eingeladen, in der Stadt Yancheng (östlich von Nanjing; an der Küste) zusammen mit anderen Ausländern an einer entsprechenden Feier teilzunehmen. Das Ganze fand in einem alten Tempelgebäude statt, das in den 40er Jahren der Volksbefreiungsarmee als dortiges Hauptquartier diente. Der Bürgermeister der Stadt und andere wichtige Leute aus Partei und Verwaltung waren dabei … man stellte uns zurecht, es wurden Reden gehalten, die Ortspresse machte schöne Bilder. Ein Professor der lokalen Parteihochschule hielt uns dann einen zweistündigen Vortrag über die Parteigeschichte: Vor allem über die Zeit von der Gründung 1921 bis zur Machtübernahme 1949 wurde viel erzählt, die Zeit bis Maos Tod eher gestreift. Ausführlich bedacht wurden dann aber die Errungenschaften mit Beginn der Öffnungspolitik 1978 bis heute – der neuen Ära unter Xi Jinping.

Drei Vertreter der Ausländergruppe, darunter ich, waren zuvor um Statement gebeten worden, was schon Wochen vorher einzureichen war. Ich bin ja länger im Land und auch mit der Kultur des Landes befasst. Derartige rituelle Abläufe kommen mir darum nicht mehr seltsam vor. Ich hatte rund um die offizielle Feier die Chance, ein paar interessante Gespräche mit Vertretern der Stadt zu führen. Yancheng ist eines der Zentren für Windenergie in Jiangsu. Jedes Jahr finden eine internationale Konferenz und eine Messe zum Thema statt.

Von Corona und Quarantäne …
Das andauernde Propagandaevent vor unserer Haustür fand am 20. Juli ein jähes Ende, als die Stadtregierung von Nanjing neue Coronafälle in der Stadt meldete – Personal am Flughafen der Stadt war positiv getestet worden. China hält bisher noch an einer Null-Fälle-Politik fest, jede neue Erkrankung ist deshalb ein großes Problem. Da ich und mein Sohn in der Woche zuvor in Südchina Urlaub gemacht hatten und dazu zwei Mal durch den Nanjinger Flughafen gekommen waren, gehörten wir auch zu den „Glücklichen“, deren Gesundheitscode in der entsprechenden App von Grün auf Gelb wechselte. Am Abend bekamen wir dann per SMS die Nachricht, dass wir zur Gruppe der Verdächtigen zählen … Aufforderung: ab in die zentrale Quarantäne. Wir packten also Koffer. Über Nacht veränderte sich die Botschaft dann aber wieder: Wir brauchten danach nur zwei Wochen im eigenen Haus in Quarantäne zu verbringen und mussten uns während dieser Zeit mehrmals testen.

Die komplette Stadtbevölkerung – 9 Millionen Menschen – wurde innerhalb von zwei Wochen dreimal getestet. Ergebnis: bis jetzt knapp über 200 Fälle. Es handelt sich um die Delta-Variante, die über einen chinesischen Linienflug aus Moskau eingeschleppt wurde. Inzwischen gehen die Fallzahlen rapide abwärts, die Stadt ist aber nach wie vor in verschiedene Risikogebiete eingeteilt. Die Wohnviertel, in denen einzelne Erkrankte gefunden wurden, sind geschlossen unter Qurantäne stellt. Viele Unternehmen, auch unser Büro, hatten die erste Zeit auf Home-Office umgestellt, wogegen die Produktion in den Fabriken zum großen Teil weiterging.  Allerdings klagen die Firmen nun über Verzögerungen in der Lieferkette, weil der Transport nach Nanjing hinein zum Teil länger dauert, aber vor allem, weil alle fertigen Produkte erst nach Desinfektion und offizieller Abnahme die Stadt verlassen dürfen. Wir rechnen damit, dass ein gewisser Ausnahmestand noch einige Wochen anhalten wird; bis dahin kann man die Stadt nicht einfach verlassen, da die meisten anderen Gegenden Chinas niemanden aus Nanjing einreisen lassen. Innerhalb der Stadt lief das Leben eigentlich weiter, allerdings geht man eben mit Mundschutz in die Öffentlichkeit und kann Geschäfte und öffentliche Gebäude nur nach Vorzeigen des grünen Gesundheitscodes auf dem Handy betreten.

Leider ist das Virus nun auch auf Yangzhou, einer benachbarte Stadt am nördlichen Yangzi-Ufer, übergeschwappt – eine ältere Dame aus Nanjing hatte es dorthin getragen. Weil diese Person einige Veranstaltungen besucht und auch in einem öffentlichen Lokal Majiang gespielt hatte, sind dort schon viele infiziert, vor allem ältere Menschen. Ich hoffe, dass auch Yangzhou es schnell schafft, das Virus unter Kontrolle zu bringen.

Inzwischen beginnt auch in China eine Diskussion darüber, wie lange man an der strengen Null-Fälle Politik festhalten können wird. Obwohl die Einreise aus dem Ausland nur sehr begrenzt möglich ist und alle Einreisenden erst einmal zwei Wochen in staatlich überwachter Quarantäne verbringen müssen, gibt es immer wieder einzelne neue Herde. China ist keine Insel – die Landesgrenzen sind nicht überall unpassierbar, entsprechend gibt es im Süden der Provinz Yunnan an der Grenze zu Vietnam schon seit längerem immer wieder neue Coronafälle.

Neues von den wandernden Elefanten …
Aus Yunnan kommt auch die Elefantenherde, die sich Anfang des Jahres auf Wanderschaft gemacht hat. Ich schaue hin und wieder im Netz, wo ich die Gruppe gerade herumtreibt. Gestern waren sie in Yuxi, einem schönen Städtchen rund neunzig Kilometer südlich von Yunnans Provinzhauptstadt Kunming. Sie hielt sich friedlich in einem Waldgebiet unweit des Stadtbereichs auf. Am Abend überquerte die Herde einen Fluss; man geht davon aus, dass jetzt endlich die Marschrichtung zurück ins Reservat stimmt …

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